Warteschleife

Ich habe mich also dazu entschieden zu warten. Und dann haben sich auch andere entschieden zu warten, was mein Warten verlängerte. Also eigentlich weiß ich nicht, ob sich die anderen freiwillig entschieden haben, vielleicht sind sie nur in einer vorweihnachtlichen Arbeitsflutwelle untergegangen, was viel wahrscheinlicher ist, aber dann doch wieder eine freiwillige wirtschaftliche Entscheidung darstellt. Obwohl Weihnachten kommt jedes Jahr über uns, wie der überraschende Wintereinbruch.

Jedenfalls wollte ich auf das neue Probeexemplar meines Buches warten. Und dann kam ich drauf, dass ich in Wirklichkeit auf die Versendung des Probeexemplares meines Buches warte. Erst dann kann ich auf die Finalisierung des Postwegs warten. Also warte ich darauf, dass der Termin eintritt, an dem das Warten beginnt. Das ist hart. Weil auf das zu warten, dass endlich das eintritt, worauf man wartet, nämlich die eigentliche Wartezeit, das ist Warten für Fortgeschrittene.

Und das habe ich jetzt eine ganze Woche gemacht.

Beim Warten für Fortgeschrittene ist es wichtig, dass man vor allem die Ruhe bewahrt und freundlich bleibt.

Besonders erschwert wird das Warten für Fortgeschrittene durch die Abhängigkeit.
DU KANNST NICHTS MACHEN!

Nichts, was Du tust

– Kopfstand, spazieren gehen, laut schreien, sich den Scheitel kratzen, in die Luft schauen, einen Kreis in den Wohnzimmerteppich treten, meditieren, sich über Politik aufregen, sich in Arbeit stürzen, darin versinken, anderen auf die Nerven gehen, Seilspringen, in Zeitungen beißen und alle anderen erquicklichen Vergnügungen –

verkürzt die Zeit.

Also in Echt. Natürlich hast Du dann das Gefühl, dass die Zeit schneller vergeht, was man dann die Zeit verkürzen nennt, aber es hilft nichts. Du wartest und du hast keine Ahnung, wie lange noch. Du bleibst einfach abhängig. Aus.

Mir hilft da ein wenig das Rationalisieren:

Also ich stelle mir vor, dass die Leute, von denen meine Wartezeit auf die Wartezeit abhängt, unglaublich viel arbeiten, völlig überlastet sind, Hilfe brauchen, dem Burn-out nahe sind. Das hilft. Ich versuche mir nicht vorzustellen, dass sie vor Langeweile in der Nase bohren, die Füße am Tisch haben und mal eine rauchen, Kaffee trinken, mit der Familie schöne Tage verbringen. Obwohl ich das jedem Menschen von Herzen gönne, versuche ich es mir für die, von denen ich beim Warten auf das Warten abhängig bin, nicht vorzustellen. Da werde ich ziemlich unbarmherzig. Überraschende Selbsterkenntnis!

Aber!

Gute Nachricht! Das Warten auf das Warten hat ein Ende! Gestern Abend wurde das Probeexemplar meines Buches versandt! Jetzt warte ich nur noch auf das Ende des Postweges.

Das ist theoretisch leichter, aber praktisch ist meine Wartebatterie fast aus, weil das Warten für Fortgeschrittene so viel Energie gefressen hat. Aber es ist leichter, weil die bei der Post arbeiten unablässig, fleißig, Tag und Nacht. Da gibt es Geschichten von Postbeamten, die sogar Alkoholiker wurden. Das macht der Stress!

Vor allem aber gibt es da einen Link, den ich anklicken kann. Und der sagt mir dann den Status des Postweges. Das hilft beim Warten. Weil man kann sich den Stress der Menschen in Abschnitten vorstellen: Das Ausliefern, das Weiterliefern, das Einliefern in eine Verteilungszentrale, das Ausliefern,… Und es ist spannend, zum Beispiel, wenn eine Verteilungszentrale ganz am anderen Ende Deines Landes ist. Aber es ist auch frustrierend, wenn Du Dir den ökologischen Fußabdruck Deiner Lieferung ausrechnest. Na ja, mein Buch wird es auch als E-Book geben. Also bitte das bestellen. Wenn das Warten dann aus ist!

Aber jetzt heißt es noch: Warte mal!

 

 

Das Buch: https://www.andreasschodterer.at/tjanuk

 

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